Back again! Wo? Natürlich im Zug!

Wir befinden uns jetzt gerade auf dem Weg in Richtung Norden, nach Chengdu. Was uns dort erwartet, werden wir noch sehen. Was wir seit Peking erlebt haben? Here we go:

Nachdem wir dann den Hauptstadt-Blues hatten, wollten wir weg. Ein paar Tage in so großen Städten reichen, um ein Gefühl für das zu entwickeln was so eine Stadt ausmacht. Wir wollen ja keine Wurzeln schlagen. Also haben wir uns rechtzeitig Zugtickets (Hardsleeper) nach Guilin besorgt. Extra einen schnellen Zug in den Süden ausgsucht, der die über 2000 Kilometer kurze Strecke in schlappen 25 Stunden abgegrast hätte. Super!

Denkste!!

Montags in der Frühe raus aus dem kleinen, ruhigen Hostel in seinem verschlafenen Hutong und rein ins Taxi Richtung Bahnhof und dann ab in den Süden. Guter Plan.

Realität: Montags in der Frühe raus aus dem kleinen, ruhigen Hostel in seinem verschlafenen Hutong und weit und breit kein Taxi in Sicht. Ok!?!

Ein freies Taxi in Beijing zu bekommen, dass einen dann auch noch mitnimmt ist schwierig. Eines auf die Schnelle zu bekommen unmöglich!

Wir sind dann die Straße abgelaufen und haben bei jedem Taxi gewunken wie die Doofen, aber entweder waren alle besetzt oder waren in die andere Richtung unterwegs und haben sich für uns Langnasen kein bisschen interessiert.

Ok, soweit so ungut.

Wir haben uns dann dafür entschieden den Weg mit der U-Bahn zurückzulegen.

Theorethisch gut, praktisch fatal!!

Die U-Bahn in Beijing ist an und für sich eine gute Sache. Kostet pro Person 2 Yuan und fahren kann man bis man kein Bock mehr hat und wieder die Sonne sehen will. Allerdings ist die lustige Bahn im Untergrund leider nur für eine mittelgroße europäische Stadt konzipiert und nicht für die Hauptstadt eines Landes mit 1,4 Milliarden Menschen.

Manche Untergrund-Linien und Haltestellen sind von der Masse an ein-und aussteigenden Menschen erträglich. Andere sind so brechend voll, dass man allein beim Anblick schon einem Gefühl der Beklommenheit ausgesetzt ist. Wenn man dann in einer brechend vollen Bahn steht und immer mehr Menschen drängen durch die Tür ins Innere des Wagens überfällt einem ab und an blanke Panik.

Es gibt zwar an bestimmten Stationen Einweiser, die mit Megafon ständig das gleiche plärren und versuchen einigermaßen für Ordnung zu sorgen. Das ganze ist aber pures Chaos und es grenzt an ein Wunder, dass man noch nicht viele Unglücksfälle zu verzeichnen hat.

Wenn nicht bald mehr Züge, auf mehreren Linien, in größeren Haltestellen, in schnellerem Takt ein- und ausfahren, dann kollabiert irgendwann das gesamte Untergrundsystem.

Ein weiterer Schritt wird sein, dass – ähnlich wie in Tokyo – die Menschen von speziellen Ordnern in die Bahn gepresst werden, damit die Türen sich noch schließen lassen.

Soweit zum Nahverkehrproblem der chinesischen Hauptstadt. Zurück zu den beiden Langnasen, die versuchen am Montag Morgen den Weg nach Beijing Xi (Westbahnhof) mit Hilfe der U-Bahn zurückzulegen. Das ganze geht dann auch noch auf Zeit und damit die Freude sich ins Unermessliche steigert, lassen wir die beiden Versuchspersonen noch zusätzlich jeden einen großen ca. 13Kilo Rucksack tragen und dem männlichen Probanten drücken wir noch einen Tagesrucksack in die Hand. Auf gehts Kinder, die Zeit läuft!!

Wir waren gut, verdammt gut!! Eigentlich waren wir richtig fett unterwegs.

Leider fahren die U-Bahnen dann an der entscheidenden Station nur alle 12 Minuten. Leider sind die Wege zum Umsteigen lang. Leider mussten wir 3 mal umsteigen. Leider mussten wir uns erst aus dem U-Bahnhof in den Westbahnhof raus und reinkämpfen, inklusive Orientierung, Ticket-Pass-Check, Gepäck durchleuchten, wieder orientieren und dann der finale Sprint zum richtigen Wartesaal. Der war echt heavy, mit vollem Marschgepäck, Kampfausrüstung und allem drum und dran. Jeder Ausbilder der Fremdenlegion hätte uns bestehen lassen.Wir sind voll an die Schmerzgrenze ran und drüber hinaus. Oder wie mein alter Sportlehrer Heinz-Kurt zu sagen pflegte: „Wer kotzt und kollabiert lass ich bestehen.“

Ja und dann rennen wir in den richtigen, riesigen Wartesaal. Am Gate, wo der Zug angezeigt wird, steht niemand mehr, außer diesem grünuniformierten Apparatschik, der die beiden Einzelkämpfer auf sich zustürmen sieht und sie mit einem Fingerzeig aller Hoffnung beraubt.

Er zeigt auf dieses dämliche Schild: „Gate closes 5 minutes before departure.“

Ein schlichter Satz der für ein emotionalen Tiefpunkt sorgt. Bämm! Da haut einem die chinesische Bahn voll in die Fresse und das nach dieser Leistung. Wir waren 3 Minuten vor Abfahrt da, aber 2 Minuten früher machen die das Tor zu! Der Zug steht unten auf dem Gleis und wir oben entgleist.

Wenigstens sollten die Schweine einen jährlich stattfindenden Wettbewerb nach uns benennen und immer am 15.April ausrichten. „Beijing-Underground-Challenge“ (wahlweise in der Klasse 5, 10 und 15 Kilo Marschgepäck und mit verbundenen Augen).

Naja, dann können wir uns heute halt keine Zigarre anstecken und sagen: „Ich liebe es wenn ein Plan funktioniert.“

Raus aus dem Bahnhof, rein ins Ticket-Fenster-Chaos. Wir improvisieren, wollen weg aus Beijing.
Heute noch.

Was bleibt ist ein Zug am gleichen Tag nach Xi’an (Abfahrt 14h30 – Ankunft Tags drauf um 5 in der Früh) , ca.1200 Kilometer entfernt. Natürlich Hardseater, juhu. Da kommt Freude auf! Wir könnten kotzen vor Freude.

Dann dürfen wir uns in Xi’an bis 19h rumdrücken und dann nochmal 1200 Kilometer fahren, bis wir wiederum Tags drauf um 23h in Guilin aus dem Zug krabbeln.

Zur Erinnerung: Wir haben Montag Morgen 10h. Wir wären ursprünglich Dienstag Nachmittag in Guilin gewesen, in der Hardsleeper Abteilung für weitgereiste Langnasen.

Jetzt stehen uns lustige 3 Tage Zug bevor und partielle Obdachlosigkeit, einhergehend mit allen weiteren Misslichkeiten, die diese Situation mit sich bringt.

Machen wir das Beste drauß, auf nach Xi’an!!

Was macht man, wenn man einen ganzen Tag in einer unbekannten Stadt verbringen darf, kann, muss?!

Wir hatten eine wunderschöne Nacht auf einem harten Sitz, zwischen Reissäcken und Speiseölflaschen, mit vielen lustigen Zeitgenossen, die alle geraucht und auf den Boden gerotzt haben, nachdem sie laut und genüsslich ihren Schleim aus den tiefsten Tiefen ihrer Atemwege nach oben befördert haben. Zusätzlich war die halbe Nacht das Licht an und es war abwechselnd stickig-heiß bis zugig-kalt. Es war so schön.

Nee, es war ok. Besser wie die erste Hardseater Nachtfahrt.Man gewöhnt sich an alles und wird tough. Yeah baby thats Asia!

Wir um 5h zur blauen Stunde raus aus dem Bahnhof und es war zu unserer Überraschung warm!
Lockere 22 Grad. Na wenigstens ist’s schönes Wetter.

Frühstück im stehen aufm Bahnhofsvorplatz, dann Gepäck abgegeben zur Aufbewahrung und ab in die Stadt. Schnell noch auf eine Bank gelümmelt und im Lonely Planet nachgelesen was Xi’an dem neugierigen Reisenden zu bieten hat.

Terracotta-Armee?!?

Gute Sache, aber ist etwas weiter weg. Mit dem Bus 1,5 Stunden one way und dann noch 15 Minuten laufen, macht mindestens 3,5 Stunden ohne die Sache angeschaut zu haben und ohne Pause, Essen, etc.

Würde hinhauen wenn alles glatt geht, aber wir haben noch keine 24 Stunden vorher einen Zug verpasst, weil wir uns verschätzt haben, was den Weg zum Bahnhof angeht.

Keine Experimente diesmal! Bleiben wir zumindest innerhalb der Stadtgrenzen.

Zuerst was essen. Den ersten Snack direkt gegenüber vom Bahnhof, auf die Hand. Dann nach vorheriger Orientierung laufen wir ins „Zentrum“. Dort angekommen gehts direkt ins Moslemviertel. Leckeres Essen wartet, frisch zubereitet für wenig Geld.

Das Viertel ist von schattenspendenden Bäumen durchzogen. Am Ende stehen auf einem freien Platz zwei lustige Alte und halten eine Kurbel in der Hand, an der sie wie wild drehen und dabei in den Himmel starren. Häh, wasn das?

Ich habe die Drachen kaum noch gesehen! Die waren so weit weg, dass sie lediglich als kaum sichtbare Pünktchen in den Tiefen des blauen Himmel auszumachen waren.

Dann haben wir uns auf den Weg zur Stadtmauer gemacht. Xi’an besitzt als eine der wenigen chinesischen Städte eine historische, intakte Stadtmauer, die ihrem Namen alle Ehre macht. Die Mauer ist breiter als eine Fußgängerzone in einer deutschen Kleinstadt mit mehr als zwei Brücken.

Alle paar Meter stehen gigantische Wachtürme und die Aussicht ist auch nicht schlecht. Links die „Altstadt“ und außerhalb der Mauern gigantische Hochhäuser.

Bevor wir durchs Südtor auf die Mauer sind, haben wir uns unter einen Baum auf ein Mäuerchen gesetzt und unser schweres Schuhwerk und die dicken Socken ausgezogen. Das erste mal seit über 24 Stunden. Die Detektoren der Luftmessstationen sind direkt ausgeschlagen. Wir haben uns so wohl gefühlt und die geschwollenen Füße haben wieder normale Formen angenommen.

Ein persönliches Highlight der Stadtmauer war die blitzblanke, ruhige und großzügig ausgestattete Toilettenanlage, die uns als Waschmöglichkeit gedient hat. Herrlich, nach dieser Zugfahrt!

Dann rauf auf die Mauer. Die ganze Mauer ist knapp 14 Kilometer lang. Wir haben uns die halbe Strecke bis zum Hauptbahnhof vorgenommen, und bewältigt. Es sollte jedoch ein Kraftakt werden.
Die Sonne stand hoch am Himmel, kein bisschen Schatten und über 30 Grad!

An jeder Toilette haben wir uns Arme und Kopf gekühlt und jedes bisschen Schatten ausgenutzt.
Wir habens überlebt, anstrengend wars, braun sind wir geworden.

Zwischendrin haben uns ständig Golfwagen überholt, mit denen lauffaule Touristen über die Mauer gefahren werden. Die Möglichkeit ein Fahrrad oder Tandem auszuleihen, haben wir an entscheidender Stelle nicht wahrgenommen und danach bitterlich bereut. 7 Kilometer sind nicht allzu lang, aber unter den gegebenen Umständen mörderisch.

Wir waren fix und alle, als wir am Hauptbahnhof den Abstieg angetreten sind.

Wir haben uns dann in einem angrenzenden internationalen Fastfood-Fresstempel ein Eis und ein Kaffee gegönnt und den Bahnhofsvorplatz beobachtet. Dann haben wir unser Gepäck abgeholt und sind rein ins Getümmel.

Bei der Sicherheitskontrolle hat dieser kleine verfluchte Bastard mein schönes, neues, ungebrauchtes Klappmesser in seinem Röntgengerät entdeckt und leider konfisziert.

Ich war zu geschlaucht, um schneller zu reagieren. Normalerweise lassen die einen von dannen ziehen, wenn man sich dummstellt und einfach schnell genug weitergeht. Der kleine Bastard hat aber seine englischsprechende Supervisor-Schlampe gerufen, die mich dann nochmals genauer gefilzt hat und mich darauf hingewiesen hat, dass so ein Messer im Zug verboten wäre.

Hahaha!

Keine 5 Minuten im Zug und die Oma packt ein 20cm langes Küchenmesser aus und schneidet ihren Apfel!! Toll!!

Auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ hab ich dummerweise das Messer noch im Tagesrucksack gehabt, weil das auch unser Zug-Verpflegungsrucksack ist, der uns mit Nahrung versorgt und das entsprechende Equipment beinhaltet. Der Bulle an der Gepäckdurchleuchtung hat sichs angesehen und war kooperativ.

Du kannst auf dem Tiananmen machen was du willst, pack bloß keine Tibet-Fahne aus oder beginne eine Revolution. Messer, Schusswaffen und Saringas sind aber ok.

Komischerweise sind uns damals die ganze Zeit dieser Eisverkäufer und der Postkartenhändler gefolgt und an jedem Laternenmast haben sich diese Kameras auf mich gerichtet.

Ok, Messer weg, aber drin im Bahnhof. Auf gehts zum zweiten Teil unseres lustigen Ausflugs.

Diesmal zum Glück Hardsleeper. Die Fahrt war ok und dank Bier erträglich. Die Mitreisenden haben uns anfangs wenig Beachtung geschenkt, aber mit zunehmender Fahrtdauer sind sie zutraulich geworden. Tiefergehende Konversationen waren leider nicht möglich, aber man hat Sympathie für uns empfunden.

Dann waren wir endlich Nachts um 23h in Guilin, bei 28 Grad und 90% Luftfeuchtigkeit. Juhu.

Guilin ist eine kleine 750 000 Einwohner zählende Stadt, die im subtropischen Süden Chinas liegt. Das Meer ist nicht mehr weit entfernt und viele Traveller zieht es von hier nach in das ebenfalls nicht mehr weitentfernte Vietnam.

Man kann sich einiges anschauen in Guilin. Die Stadt wartet mit vielen Parks, Grünanlagen, Höhlen und Aussichtspunkten von den umliegenden Karstkegel-Bergen. Durch die Stadt schlängelt sich ein Fluß, der ebenfalls für ein schönes Flair sorgt.

Das Beste an Guilin ist allerdings die Landschaft, welche die Stadt umgibt.

Herrliche, grüne Karstkegel, saftiges Grün, kleine Felder, Reisterrassen. Es ist so unbeschreiblich schön. Wir bleiben nur ein paar Tage in Guilin und unternehmen von dort Tagesausflüge in die Umgebung.

Ein Abstecher führt uns in ein kleines Bergdorf (Dazhai), das mit tollen Reisterrassen aufwartet. Die einzelnen Häuser und Dörfer sind mit steilen, engen Steintreppen und schmalen Trampelpfaden verbunden. Man fühlt sich wie im Tolkienschen Auenland.

Die Aussicht ist atemberaubend. Es gibt etliche Unterkünfte in den schönen Holzhäusern. Man könnte ein ganzes Jahr hier verbringen, allein schon wegen der unterschiedlichen Aussichten auf die Terrassen während der verschiedenen Jahreszeiten.

Uns bleibt ein halber Tag. Dann gehts mit dem letzten öffentlichen Bus zurück nach Guilin.

Einige Tage später fahren wir nach Xingping, ein Fischerdorf am Li-Fluß in der Nähe des Touristenstädtchens Yangshou.

Das ist die absolute Krönung, der Hammer-Shit schlechthin. Man ist total im Grünen, in der Karstkegel-Landschaft, in der herrlichsten, chilligsten Umgebung, die man sich wünschen kann. Das Hostel ist wunderschön, die Zimmer erholsam und luftig und die Aussicht ein Gedicht für die Augen. Wenn man einmal hier war, will man nie wieder woanders hin.

Wir wandern durch die Landschaft und die kleinen Dörfer, fahren Fahrrad durch die Orangenplantagen, von denen es unzählige gibt. Besteigen Karstkegel, genießen die Aussicht und freuen uns auf jeden neuen Tag. Hier können wir die Seele baumeln lassen und richtig tief entspannen.

So ein herrlicher Ort ist kaum mit Worten zu beschreiben. Das Essen ist so lecker, die Früchte so süß, das Bier so kühl und erfrischend. Alles ist einfach SUPER!!!

Irgendwann ist auch der schönste Traum zu Ende und wir müssen weiter.

Wir sind dann heute (26.April) zurück nach Guilin und von dort in den Zug nach Chengdu. Was wir dort machen und wie es dann weitergeht, erzählen wir wenn es so weit ist.
Außer dem Buddha in Leshan werden noch andere Dinge auf uns warten und wenn alles gut geht, gehts hoch hinaus 😉

Der 1.Mai wartet und wir freuen uns schon auf die kommenden Tage.

Es bleibt spannend, over and out, irgendwo von unterwegs auf dem Schienenstrang nach Chengdu.

Eine Antwort »

  1. Der beste Satz: „Oder wie mein alter Sportlehrer Heinz-Kurt zu sagen pflegte: “Wer kotzt und kollabiert lass ich bestehen.”“ – daran erinnere ich mich auch noch…

    Weiterhin gute Reise..

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